Eisberge, Gletscherfronten, Vogelklippen und zwei gelbe Kajaks: Sieben Tage lang paddeln mein Partner und ich 150 Kilometer von Narsaq bis zum Qaleraliq Gletscher, wo die endlose Weite von Grönlands Inlandeis beginnt. Unsere Kajaktour in den Eisfjorden im Südwesten von Grönland war schon vor dem Start ein Vollzeit-Job: Recherche, Planung, Vorbereitung und schließlich das Packen ließen die To-Do-Liste vor der Tour immer länger werden. Doch die Ruhe in den Fjorden, das leise Plätschern beim Eintauchen der Paddel, die Eisberge und deren Spiegelungen im Wasser ließen uns all die langen Abende vorm Computer und den Karten schnell vergessen.
Den folgenden Artikel findet ihr in ähnlicher Form als Veröffentlichung im Kajak-Magazin 01/2024.
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Grönland ist kalt, windig und hinter jedem zweiten Eisberg lauert ein Eisbär. Kein Wunder also, dass das Herzstück unserer Tourenplanung ein mehrseitiger Safetyplan war. Die “Was tun wir, wenn…“ Szenarien reichten von der Begegnung mit einem Eisbären, über das Kentern, diversen Verletzungen bis zum Verlust von Ausrüstung oder sogar eines Kajaks. Wir waren auf alles vorbereitet. Dachten wir uns.
Womit wir nicht gerechnet hatten, war die spiegelglatte See an den Vormittagen und Sonnenschein satt. Wir schwitzten in unseren Trockenanzügen und trugen anstelle von Mütze und Handschuhen lieber noch ein bisschen mehr Sonnencreme auf. Ebenso wenig haben wir erwartet, dass uns ein Robbenfänger frische Robbenleber anbietet oder dass wir den einen Morgen von dem Getöse eines Hubschraubers geweckt werden.
Paddelparadies zwischen steilen Felsen, Eisbergen und Gletscherfronten
Ausgangspunkt unserer Kajaktour ist der Ort Narsaq im Südwesten von Grönland. Mit knapp 1.400 Einwohnern ist Narsaq die zweitgrößte Stadt in der Kommune Kujalleq. Die Fjorde hier sind besonders schön zum Paddeln, denn hier gibt es mehr Eisberge als andernorts. Das viele Eis kommt hauptsächlich von dem rund 60 Kilometer entfernt liegenden Eqaloruutsit-Gletscher und treibt Richtung Westen zum offenen Meer. Durch die verzweigten Fjorde, steilen Ufer und vielen Inseln findet sich hier für erfahrene Paddler und Outdoorenthusiasten ein wunderschönes und relativ geschütztes Paddelrevier.
Aller Anfang ist schwer… so auch Tag eins unserer Kajaktour in Grönland
Die Kajaks, Schwimmwesten, Trockenanzüge, Seenotsignale sowie das Sattelitentelefon haben wir vom Blue Ice Explorer in Narsarsuaq gemietet. Mit dem Wassertaxi geht es weiter in das etwa 50 Kilometer entfernte Narsaq. Doch wie heißt es so schön? Aller Anfang ist schwer… In unserem Fall ist er tief: von der Anlegeplattform lassen wir die voll beladenen Kajaks etwa einen Meter tief ins Wasser hinab. Dann klettern wir hinterher. Einen Strand oder flachen Steg gibt es in erreichbarer Nähe nicht.
Erst in der übernächsten Bucht liegen ein kleiner Strand, ein Sportbootanleger und auch ein Supermarkt, wo wir noch unseren restlichen Proviant einkaufen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist schließlich alles Gepäck in den Kajaks verstaut. Bevor es los geht, machen wir noch eine Pause und gönnen uns noch einen Kaffee und eines dieser leckeren Plunderteilchen im Supermarkt. Dann geht’s endlich los. Dass wir am nächsten Tag wieder hier im Supermarkt stehen, wieder einen Kaffee trinken und wieder ein Plunderteilchen essen, hätten wir in dem Moment niemandem geglaubt.
Was war passiert?
Spaghetti oder Spirelli…oder auch nicht…
Abends im Camp stehe ich vor der schweren Wahl, ob es Spaghetti mit Pesto oder Spirelli mit Tomatensoße zum Dinner gibt. Ich entscheide mich für Spaghetti und freue mich auf das warme Essen. Zügig packe ich die Kochsachen aus und will den Kocher auf die Gaskartusche schrauben. Irritiert schaue ich auf die Kartusche und versuche es nochmal. Doch es hilft nichts. Der Kocher passt nicht auf die Kartusche.Da hilft dann auch keine Redundanz, wenn man zweimal den gleichen Kocheraufsatz und die gleiche Gaskartusche dabei hat. Schraubgewinde ist also nicht gleich Schraubgewinde. Auch wenn der Unterschied nur ein Bruchteil eines Millimeters und mit dem Auge nicht erkennbar ist. Die Küche bleibt an diesem Abend kalt. Am nächsten Morgen paddeln wir wieder zurück nach Narsaq und beten zu sämtlichen alten und neuen Göttern, dass wir im Supermarkt passende Gaskartuschen bekommen. Wir haben Glück. Um dieses Mal sicher zu gehen, probiere ich beide Kartuschen mit beiden Kochern aus. Schließlich hängen nicht nur unsere warmen Mahlzeiten von dem funktionierenden Kocher ab, sondern auch unser Trinkwasser. Denn das schmelzen wir uns aus dem Gletschereis, das auf dem Wasser treibt. Dieses ist reines Süßwasser. Es ist so rein, dass wir sogar noch extra Elektrolytpulver zusetzen.
Mit neuen Gaskartuschen über den Bredefjord
Die Rückkehr zum Supermarkt hat unsere Paddeltour mal eben um 18 Kilometer verlängert. Unseren Schlechtwetter-Puffertag haben wir nun schon am zweiten Tag unserer Tour verbraucht. Ich bin frustriert und fürchte, dass wir unser Ziel, den Gletscher Qaleraliq, gar nicht mehr erreichen werden. Ende Juli ist es hier in Südgrönland zwar noch lange hell. Allerdings sind die Paddelzeiten durch die Gezeitenströmung und durch stärkeren Wind am Nachmittag auch oft eingeschränkt.
Doch als wir am Nachmittag wieder an unserem Camp der letzten Nacht ankommen, sind die Paddelbedingungen so gut, dass wir gleich die vier Kilometer weite Querung des Bredefjord wagen. Auch an den folgenden Tagen ist und das Wetter freundlich gesinnt, so dass wir viel schneller vorankommen als erwartet.
Wind und Wetter
Den Wetterbericht beziehen wir über unseren GPS-Tracker. Das Wetter ist stets besser als vorhergesagt. Durch die hohen Berge, die verzweigten Fjorde und die starke Sonneneinstrahlung herrschen jedoch in jedem Fjord im Verlauf eines Tages andere Bedingungen. Morgens ist das Wasser oft spiegelglatt. Durch die Sonne setzen dann gegen Mittag lokale Ausgleichswinde ein, die im Laufe des Nachmittags immer stärker werden und am Abend wieder abflauen.
Dreimal täglich kontrolliere ich das Barometer und beobachte über den ganzen Tag hinweg die Wolken am Himmel. Jeden Tag bilden sich Cirrus Wolken, die üblicherweise eine Wetteränderung innerhalb der nächsten zwei Tage andeuten. Doch der Luftdruck bleibt konstant hoch. Die Wetteränderung kommt erst, als wir wieder zurück in Narsaq und in einer trockenen Unterkunft sind. Was für ein Glück!
Qaleraliq Gletscher – das Ziel unserer Grönland Kajaktour
Nach vier Tagen Paddeln erreichen wir schließlich unser Ziel und Umkehrpunkt, den Qaleraliq Gletscher. Von hier sind früher Süd-Nord-Expeditionen auf das grönländische Inlandeis gestartet. Heute bietet hier das Qaleraliq Camp arktischen Komfort mit Blick auf die Reste der Gletscherfront an. Durch die Erderwärmung hat sich der Gletscher deutlich zurückgezogen und sich dabei in drei kleinere Gletscherzungen aufgeteilt. Nur zwei davon kalben noch Eisberge ins Wasser. Wegen der Corona-Pandemie ist das Camp im Sommer 2022 geschlossen und wir schlagen unser Zelt auf einem benachbarten Hügel auf.
Am nächsten Morgen lausche ich zufrieden den Rufen der Seevögel. Doch plötzlich dröhnt ein lauter Motorenlärm in meinen Ohren. Vor unserem Camp hat ein Kreuzfahrtschiff geankert und beginnt, seine Gäste mit dem Hubschrauber über den Qaleraliq Gletscher zu fliegen. Es wird Zeit aufzustehen. Ich bin erstaunt, wie schnell wir dieses Mal das Camp abbrechen und unsere Kajaks beladen.
Tipp: Kleine Schätze*, die das Paddlerleben leichter machen:
Abstand halten – Eisberge brechen, rollen oder fallen in sich zusammen
Wir halten mit unseren Kajaks Abstand vom Gletscher. Auch den großen, hoch aufragenden oder sonst irgendwie instabil wirkenden Eisbergen kommen wir lieber nicht zu nahe. Besonders am Nachmittag, nachdem die Sonne das Eis erwärmt hat, hören wir immer wieder Eisstücke abbrechen und sehen, wie sich Eisberge rollen und dabei teils beachtliche Wellen schlagen. Selbst an Land muss man jederzeit mit Wellen aus heiterem Himmel rechnen. Bei Pausen lassen wir die Boote daher nicht aus den Augen und binden sie lieber einmal mehr als einmal zu wenig fest.
Routenplanung mit Satellitenbildern
Die Ufer der Fjorde sind wild, meist steil und zum Anlanden mit dem Kajak oft ungeeignet. Neben dem Risiko, durch umkippende Eisberge im Zelt nasse Füße zu bekommen, müssen wir noch einen Gezeitenhub von etwa drei Metern berücksichtigen. Es gibt zwar eine grobe Karte der Gegend, aber die Beschaffenheit der Uferlinie und deren Eignung für Ein- und Ausstiege sind nicht erkennbar. Für die Routenplanung habe ich stattdessen Satellitenbilder ausgewertet und mir mit Google Earth meine eigene Karte für unsere Kajaktour in Grönland erstellt. Mögliche Stellen zum Anlanden oder Campen habe ich farbig markiert. Unsere Tagesabschnitte plante ich mit Längen von 20 bis 25 Kilometern, wohl wissend, dass das Wetter einem da schnell einen Strich durch die Rechnung machen könnte. Nur ein geplantes Camp am Fuß eines Berges konnten wir nicht nutzen, da uns die Steinschlaggefahr dort zu hoch war. Das wurde ein langer Paddeltag. Bis zur nächsten geeigneten Stelle mussten wir gleich mehrere Kilometer weiter paddeln. Dazu kam, dass wir zuvor zu lange Pausen gemacht hatten und nun auf kabbeligem Wasser gegen die Gezeitenströmung anpaddeln mussten. Wir fluchten!
Ein nächtlicher Besucher zum Abschied
Unsere letzte Nacht verbringen wir wieder an der Stelle, wo wir auch das erste Camp aufgeschlagen haben.
Ich sitze noch lange Zeit draußen und will den Tag nicht enden lassen. Etwas Dunkles huscht über die Steine neben mir. Zuerst dachte ich, es ist einer der vielen Raben, doch er fliegt nicht weg. Wie ein bloßer Schatten verharrt das Tier in der nicht ganz dunklen Nacht. Langsam erkenne ich einen kleinen Kopf, der mich beobachtet. Dann sehe ich den langgestreckten Körper und den buschigen Schwanz. Vorsichtig drehe ich mich rum, um den kleinen Polarfuchs besser zu sehen. Einen Moment mustern wir uns gegenseitig, dann läuft er weg.
Ich warte einen Moment, ob der kleine Fuchs vielleicht noch mal auftaucht. Während dessen schweift mein Blick über den Bredefjord. Direkt vor unserem Camp sind die Eisberge am größten. In meinen Gedanken sehe ich zwei gelbe Kajaks zwischen den unzähligen Eisbergen dahingleiten. Mit einem Lächeln gehe ich zurück zum Zelt.
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