Norwegen. Massige Körper, zottelige Pelze und ein Hauch von Eiszeit. Wer im März das Dovrefjell betritt, begibt sich nicht nur auf eine Reise durch Schnee und Kälte, sondern auch durch die Zeit. Denn hier, in Mittelnorwegen, trotzen Moschusochsen dem arktischen Winter – sie sind Relikte einer vergangenen Welt und gehören zu den letzten Vertretern einer Tierwelt aus der Eiszeit. Auf dem europäischen Festland waren sie bereits ausgestorben, doch in den 1930er-Jahren wurden die Tiere im Dovrefjell erfolgreich wieder angesiedelt. Heute leben rund 200 Moschusochsen im Dovrefjell. Ihre Beobachtung verlangt Ausdauer, Geduld und Umsicht. Ein guter Weg ist eine geführte Tour am Moskusstien, von der ich euch hier berichte.
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Auf dem Moskusstien zu den Moschusochsen im Dovrefjell
Unsere kleine Gruppe besteht aus drei Naturfotografen und einem erfahrenen Guide. Ausgestattet mit Schneeschuhen und unseren Kamerarucksäcken starten wir morgens in Kongsvoll, einem winzigen Ort am Rande des Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalparks. Das Ziel: eine Herde Moschusochsen, die in den kargen Hochflächen rund um den verheißungsvollen Moskusstien gesichtet wurde.

Der Aufstieg ist kräftezehrend. Die Schneedecke ist tief und stellenweise vereist, der Wind weht Schneefahnen über die Hochebene. Doch mit jedem Schritt öffnet sich ein wenig mehr der Blick in eine offene Landschaft mit sanft gewellten Plateaus und kahlen Felsflanken.
Der Moskusstien ist ein markierter Wanderweg im Dovrefjell, der Naturfreunde und Fotografen direkt in das Reich der Moschusochsen führt. Der Pfad beginnt nahe der E6 bei Kongsvoll oder bei Hjerkinn und schlängelt sich durch die karge, weite Berglandschaft bis hinauf auf die Hochebenen, wo mit etwas Glück die urzeitlichen Tiere beobachtet werden können. Der Weg ist etwa 10 bis 15 Kilometer lang (je nach Variante) und erfordert eine gute Kondition, besonders im Winter, wenn tiefer Schnee und eisiger Wind den Aufstieg erschweren. Schneeschuhe oder Tourenski sind dann unverzichtbar. Unterwegs bietet der Moskusstien nicht nur Chancen zur Wildtierbeobachtung, sondern auch atemberaubende Ausblicke auf das Dovrefjell-Massiv, darunter den markanten Snøhetta. Tafeln entlang des Weges informieren über Geologie, Flora, Fauna und die Geschichte der Wiederansiedlung der Moschusochsen. Trotz seiner Zugänglichkeit sollte man die Tour nie unterschätzen – wechselhaftes Wetter, Orientierungslosigkeit und Begegnungen mit den wilden Moschusochsen machen es ratsam, die Route nur mit entsprechender Ausrüstung sowie erfahrenem Guide zu gehen.


Begegnung mit den Urzeittieren
Nach etwa drei Kilometern und 300 Höhenmetern Aufstieg erreichen wir ein Tal. Dort stehen sie: sechs Moschusochsenbullen. Die massigen Körper wirken fast unbeweglich im Schneegestöber, doch die Tiere sind hellwach. Mit ihren breiten Vorderhufen graben sie nach Flechten und Wurzeln im Schnee. Die dichte, zottelige Behaarung reicht fast bis zum Boden und schützt die Tiere selbst bei Temperaturen unter minus 30 Grad Celsius.
Der Moschusochse (Ovibos moschatus) gehört zu den letzten Vertretern einer Tierwelt aus der Eiszeit. Ursprünglich in der Arktis Nordamerikas beheimatet, wurde er in den 1930er-Jahren in Norwegen wiederangesiedelt – mit Erfolg. Heute leben rund 200 bis 300 Tiere im Dovrefjell, wo sie unter strengem Schutz stehen. Die Jagd ist verboten, Beobachtungen dürfen nur auf Distanz erfolgen, um die Tiere nicht zu stressen – besonders in der kalten Jahreszeit, wenn jede Flucht unnötig Energie kostet. Manche meiner Fotos wirken vielleicht so, als wäre ich direkt neben den Tieren gestanden, doch ich war weiter weg als es scheint. Ein gutes Teleobjektiv macht hier vieles möglich.


Anatomie eines Überlebenskünstlers
Moschusochsen sind perfekt an die arktische Kälte angepasst. Ihr Fell besteht aus zwei Schichten: einem dichten, wolligen Unterhaar (Qiviut), das wärmer ist als Kaschmir, und einem langen, groben Deckhaar. Ihr massiger Körperbau mit kurzen Beinen, kleinem Schwanz und dickem Nacken reduziert die Angriffsfläche für Wind und Kälte. Selbst ihre Nasenstruktur ist so ausgelegt, dass die Atemluft vorgewärmt wird, bevor sie die Lunge erreicht.
Im Winter schließen sich die Tiere zu kleinen Bullenverbänden zusammen, während die Weibchen mit den Kälbern eigene Gruppen bilden. Nur zur Paarungszeit im Sommer konkurrieren die Männchen mit imposanten Kämpfen um die Weibchen. Das ist eine Zeit, in der die Tiere aggressiv und unberechenbar werden können. Jetzt aber, im späten Winter, geht es ums Überleben. Ruhig, fast stoisch stehen sie im Wind und graben unbeirrt nach Nahrung. Nur manchmal messen sie ihre Kräfte indem sie sich gegenüber stellen und anstarren.


Sicherheit im Dovrefjell bei den Moschusoxen
Der Himmel, den wir seit dem Mittag wachsam im Blick behalten haben, verdunkelt sich zusehends. Der Wind frischt wie vorhergesehen auf und es dauert nicht lang bis der Schnee waagrecht über die Ebene peitscht. Wir machen uns auf den Rückweg – mühsam, Schritt für Schritt gegen den Sturm. Die Sicht wird immer schlechter, doch unser Guide kennt das Gelände und führt uns sicher zurück ins Tal.
Bei einer Wintertour zu den Moschusochsen im Dovrefjell steht die Sicherheit an oberster Stelle – sowohl in Bezug auf die harschen Witterungsbedingungen als auch auf den respektvollen Abstand zu den Tieren. Das Hochplateau ist im März oft noch tief verschneit, mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt, starkem Wind und plötzlichen Wetterumschwüngen. Schneestürme und schlechte Sicht können die Orientierung erschweren, während vereiste Hänge und tiefer Schnee das Vorankommen kräftezehrend machen. Zudem kann in steileren Lagen Lawinengefahr bestehen. Ebenso wichtig ist ein sicherer Abstand zu den Moschusochsen selbst: Obwohl die urzeitlich wirkenden Tiere in der Regel friedlich sind, können sie bei Bedrohung – besonders ältere Bullen – überraschend plötzlich und aggressiv reagieren. Ein ausgewachsener Bulle kann bis zu 60 km/h schnell werden und mit seinem massiven Körper gefährlich angreifen. Ein Mindestabstand von 200 Metern wird von der Nationalparkverwaltung vorgeschrieben. Erfahrene Guides kennen das Verhalten der Tiere und die Eigenheiten des Gebiets und tragen wesentlich dazu bei, die Tour sicher und für Mensch wie Tier stressfrei zu gestalten.
Erst in der warmen Stube der Dovrefjell-Lodge spüre ich, wie erschöpft ich bin – und zufrieden. Das Erlebnis, diesen urtümlichen Tieren in ihrer natürlichen Umgebung zu begegnen, wird mich noch lange begleiten.


Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark
Der Dovrefjell-Sunndalsfjella-Nationalpark erstreckt sich über mehr als 1.700 Quadratkilometer im Zentrum Norwegens und umfasst ein einzigartiges Mosaik aus alpinen Hochflächen, tief eingeschnittenen Tälern, Mooren und Flusssystemen. Der Park wurde 2002 gegründet und schützt nicht nur spektakuläre Landschaften, sondern auch eine außergewöhnliche Artenvielfalt, die sich an die rauen klimatischen Bedingungen angepasst hat.

Der höchste Gipfel des Nationalparks ist der 2.286 Meter hohe Snøhetta, ein markanter Berg und symbolisches Wahrzeichen der Region, der auch bei Wanderern und Naturfotografen beliebt ist. Leider war die Hütte am Aussichtspunkt im Winter nicht geöffnet, aber wir konnten uns immerhin im Windschatten der Hütte auf einer Bank in die Sonne setzen. Botanisch ist das Gebiet bemerkenswert, denn hier wachsen seltene arktisch-alpine Pflanzenarten, die sonst in Norwegen kaum mehr zu finden sind.
Besonders berühmt ist der Dovrefjell Park als Heimat der letzten wilden Moschusochsen auf europäischem Festland, die hier nach ihrer Wiederansiedlung von Tieren aus Grönland in den 1930er Jahren heute wieder in kleinen Herden über die Hochebenen ziehen. Neben den Moschusochsen lebt im Nationalpark auch eine der wenigen verbliebenen Populationen wilder Rentiere auf dem europäischen Festland. Diese Tiere sind deutlich scheuer und meiden menschliche Nähe, durchstreifen aber in den Wintermonaten ebenfalls die offenen Flächen auf der Suche nach Flechten unter dem Schnee. Neben Moschusochsen und wilden Rentieren leben im Park auch Polarfüchse, Vielfraße und Schneehühner.
Der Nationalpark ist Teil eines größeren Schutzgebietsnetzwerks und grenzt an mehrere Landschaftsschutzgebiete und Biotopreservate, was großflächige Wanderbewegungen der Wildtiere ermöglicht. Im Dovrefjell ist die Jagd auf Moschusochsen nicht erlaubt. Die Tiere stehen unter strengem Schutz. Im Gegensatz dazu ist die Jagd auf wilde Rentiere im Dovrefjell unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt. Sie erfolgt stark reguliert, mit festen Quoten.
Fazit
Wer im Dovrefjell im Winter unterwegs ist, betritt eine Landschaft, die kompromisslos ist – aber auch von tiefer Schönheit. Und wer das Glück hat, Moschusochsen aus nächster Nähe zu sehen, der spürt, dass sie mehr sind als Relikte der Eiszeit: Sie sind Überlebenskünstler in einer Welt im Wandel und Mahner dafür, wie zerbrechlich selbst etwas so Großes und Starkes wie die Moschusoxen sein kann.

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