Antarktis. Während der ganzen Schiffsreise fieberte ich einer bestimmten Anlandung ganz besonders entgegen: dem Besuch der Vulkaninsel Deception Island mit der Whaler’s Bay – ein faszinierender Lost Place in der Antarktis. Es sollte unsere letzte Anlandung während dieser Reise werden, so dass sich zu meiner Neugier und Vorfreude auf diese Anlandung auch ein bisschen Wehmut mischte. Erfahrt in meinem Artikel mehr über den Lost Place in der Antarktis und was Deception Island so besonders macht.
Inhaltsübersicht und Schnellnavigation
Abenteuerliche Expedition – das Ehepaar Wilts mit der “Freydis”
Deception Island
Entstehung der Insel
Anlandung in der Whaler’s Bay
Aussichtspunkt „The Nipple“
Die verlassene Walfangstation in der Whaler’s Bay
Die südlichste Trankocherei der Welt
Exkurs: Walfang im Südpolarmeer
Forschungsstationen
Auf Wiedersehen, Antarktis
Hier kommt ihr zu der Übersicht über alle Berichte von meiner Antarktis-Reise.
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Abenteuerliche Expedition – das Ehepaar Wilts mit der “Freydis”
Angefacht wurde meine Neugier zuvor durch die Lektüre eines fesselnden Abenteuers von dem Extremsegler-Ehepaar Wilts. Mit ihrer 15-m Stahlyacht „Freydis“ planten sie, im Kratersee von Deception Island den Polarwinter zu verbringen. Doch wie so oft in den polaren Regionen kommt es anders als geplant. Das Ehepaar wird von der Gewalt eines Polarsturms überrascht, das Boot strandet und schlägt leck. Nach einem verzweifelten Kampf gegen die Wellen und das eindringende Wasser retteten sich die Wilts an den Strand. In der im Winter leer stehenden argentinischen Forschungsstation fanden sie Unterschlupf. Nach einigen schlaflosen Nächten war der erste Schreck überstanden und die Wilts begannen alles wichtige von dem Schiff zu bergen. Dieses lag mittlerweile mit einer dicken Eisschicht überzogen eingefroren am Strand. Das Ehepaar bekam Unterstützung von den umliegenden Forschungsstationen und konnte letztendlich die Freydis wieder zum Leben erwecken.
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Deception Island
Deception Island – zu deutsch Insel der Täuschung – gehört zu den Südlichen Shetlandinsel und ist in der Bransfieldstraße gelegen. Die Insel misst etwa 13 mal 14 Kilometer und ist etwa 98,5 Quadratkilometer groß. Damit ist sie etwa so groß wie die Insel Sylt. Ihre höchste Erhebung, der Mount Pond, ist 539 Meter hoch.
Die Insel hat einiges zu bieten. Und zwar nicht nur Landschaft, sondern auch eine bewegte Geschichte. Daher ist sie heute die am meisten besuchte Insel in der Antarktis. Viele Kreuzfahrtschiffe landen hier an. Oft ist sogar ein Bad in den warmen Quellen möglich – also Badeanzug nicht vergessen!
Entstehung der Insel
Entstanden ist die hufeisenförmige Insel vor etwa 750.000 Jahren. Sie ist der Rand von einer vom Meer gefluteten Caldera, also der Gipfelbereich eines aktiven Vulkans. Dieser ragt vom Meeresgrund etwa 1.500 Meter empor un dbefindet sich momentan in einer Ruhephase. Durch die Hufeisenform bildet die Insel mit ihrem zum Meer geöffneten Kratersee einen natürlichen Hafen, den Port Foster. Dieser ist nur durch eine etwa 400 Meter breite Meerenge, den sogenannten Neptuns Blasebalg, passierbar. Am Rande des Kraters befinden sich heiße Quellen, Fumarolen und Heißwasserlagunen.
Anlandung in der Whaler’s Bay
Wir haben Glück. Es weht kaum Wind und die MS Expedition schiebt sich ohne Schwierigkeiten durch den schmalen Durchlass Neptunes Blasebalg. Die Meerenge weitet sich und wir erreichen unseren Ankerplatz in die Whaler‘s Bay – der Walfängerbucht. Vor uns breitet sich die Bucht mit einem etwas morbid wirkenden Lost Place Panorama aus. Beim Näherkommen erkennen wir am Strand einzelne Gebäude, darunter einen Flugzeug-Hangar der britischen Forschungsstation und die Anlagen einer verlassenen norwegischen Walfabrik: mehrere riesige verrostete Trankessel zum Kochen und Lagern des Walöls.
Unser Zodiac landet am sandigen Strand und wir werden von ein paar Zügelpinguinen, einer Weddelrobbe und einem Seeelefanten begrüßt. Alte Holzboote liegen am Strand, halb vergraben im Sand. Aus dem Wasser steigt Dampf auf und gibt allem eine surreale Atmosphäre. Der Dampf entsteht aufgrund warmer Quellen. Durch die vulkanische Aktivität soll die Wassertemperatur stellenweise sogar bei etwa 10 °C liegen.
Aussichtspunkt „The Nipple“
Doch bevor ich mich zu den Lost Places aufmache geht es erstmal hinauf zum Kraterrand. Unser Ziel ist der Aussichtspunkt „The Nipple“. Nach zwei eher bewegungsarmen Wochen bin ich froh über diese kleine Wanderung. Leider kommen wir an dem Aussichtspunkt nie an, denn als wir fast oben sind, kommt Nebel auf. Der ist so dicht, dass wir umkehren müssen und auf demselben Weg wieder zurück marschieren. Doch unterwegs mache ich eine ganz besondere Entdeckung: auf dem steinigen Boden wachsen Flechten und Moose – die ersten Pflanzen, die ich in der Antarktis sehe. Erst im Nachhinein erfahre ich, dass sogar Teile der Insel für Besucher gesperrt sind, um dort die Wiederansiedlung von Pflanzen auf der Vulkanasche zu erforschen.
Die verlassene Walfangstation in der Whaler’s Bay
Die rostigen Tran Kessel werden immer größer, je näher ich komme. Hier wurde schon lange kein Walfett mehr gekocht oder gelagert. Nachdem die Verarbeitung der Wale direkt auf dafür vorgesehenen Fabrikschiffen erfolgte, wurde die Walverarbeitungsstation “Hektor” in der Whaler’s Bay geschlossen. Stattdessen haben nun Skuas hier ihre Nester gebaut. Am Boden vor dem ersten Kessel laufen zwei Küken suchend umher.
Fast zwanzig Jahre lang wurden in der Whaler’s Bay Wale verarbeitet. Das erste Fabrikschiff kam im Winter 1906/07und verarbeitete die erlegten Tiere. Es wurden so viele Tiere erlegt, dass nur der wertvolle Blubber verarbeitet wurde, also die fettreiche Hautschicht. Alles andere ging über Bord und sammelte sich in dem Kratersee an. Tausende von Walkadavern verrotteten hier. Um dieses zu unterbinden wurde 1912 die Errichtung der Trankocherei begonnen.
Die südlichste Trankocherei der Welt
Von 1912 bis 1931 betrieb dann die norwegische Hvalfangerselskabet Hektor A/S hier die südlichste Trankocherei der Welt, deren Reste wir nun sehen. Umgekippte, rostige Tanks dominieren den Strand. Sie dienten als Zwischenlager für das Walöl und als Lager für Treibstoff. Kurz dahinter reihen sich zehn rostige Dampfkocher auf. Diese wurden mit Walfleisch und Walknochen bestückt. Der heiße Wasserdampf löste dann das Fett aus Fleisch und Knochen. Anschließend wurde das Öl von dem Wasser abgetrennt.
Hinter den Gebäuden und Resten der Fabrik liegt ein Friedhof, dessen 35 Gräber weitgehend aus der Zeit der Walfangstation stammen. Bei den Vulkanausbrüchen in den 1960er Jahren wurde der Friedhof jedoch zu großen Teilen verschüttet. Auch die meisten Knochen der Walkadaver wurden damals mit Asche überdeckt. Am Strand der Whaler’s Bay liegen daher nur noch wenige Walknochen.
Die Überreste der Walverarbeitungsstation wurden im Jahr 1995 als „Historic Site and Monument No. 71“ unter Schutz gestellt und im Jahr 2003 um die Reste der britischen Forschungsstation ergänzt. Grundlage dafür ist der Antarktis-Vertrag.
Die Überreste der alten Walfabrik und der britischen Forschungsstaion auf Deception Island sind beeindruckende Denkmale – eben ein richtiger Lost Place in der Antarktis. Ich begrüße es sehr, dass sie als historische Stätten unter Schutz stehen. Und – wie Denkmale es tun sollen – brachten sie mich zum nachdenken und ich wollte mehr über den Walfang im Südpolarmeer wissen.
Exkurs: Walfang im Südpolarmeer
Seit 1904 wurden im Südpolarmeer etwa 1,5 Millionen Wale gefangen. Nach Schätzungen der IWC ist der Bestand der Wale heute auf ein Zehntel gesunken. Und wie ist es heute mit Walfang im Südpolarmeer? Japan war die letzte Nation, die im Südpolarmeer Walfang betrieben hat. Allerdings unter dem Deckmantel der Wissenschaft, denn seit 1986 ist der kommerzielle Walfang verboten. Zudem wurde 1994 das Südpolarmeer zum Schutzgebiet für Wale erklärt. Im Jahr 2014 hat der Internationale Gerichtshof dann entschieden, dass der japanische Walfang nicht der Wissenschaft diene und somit illegal sei. Unter zunehmendem Druck von Meeresschutzorganisationen, unter anderem Sea Shepherd, hat Japan 2018 angekündigt, den Walfang im Südpolarmeer einzustellen. So wird die Antarktis hoffentlich ab der Saison 2019/20 zu einer walfangfreien Zone. Ein Erfolg für den Walschutz! Im Juli 2019 tritt Japan allerdings aus der IWC aus und nimmt den kommerziellen Walfang in den eigenen Gewässern wieder auf.
Forschungsstationen
Die erste Forschungsstation auf Deception Island wurde 1944 von den Briten in der Whaler’s Bay errichtet. Bei dem Vulkanausbruch im Jahr 1967 wurden die Station des British Antarctic Survey und auch die chilenischen Forschungsstationen an der Pendulum Cove schwer beschädigt. Die Briten versuchten, ihre Station wieder aufzubauen. Nach einem erneuten Ausbruch wurde die Station im Jahr 1969 jedoch letztendlich aufgegeben. Beide Male erfolgte die Evakuierung der Forscher durch das chilenische Schiff Pilato Pardo. Der bislang letzte Vulkanausbruch fand im Jahr 1970 statt.
Heute stehen in der Bucht noch immer Überreste der Gebäude und ragen aus den Ascheschichten der letzten Vulkanausbrüche hinaus. Alle Gebäude sind inzwischen einsturzgefährdet und dürfen daher nicht betreten werden.
Auch Argentinien (seit 1948) und Spanien (seit1989/90) betreiben Forschungsstationen auf Deception Island. Diese sind jedoch nur im Sommer besetzt.
Auf Wiedersehen, Antarktis
Ich hätte noch ewig zwischen den alten Gebäuden umherlaufen können. Doch alles hat ein Ende und ich kehre mit dem letzten Zodiac zum Schiff zurück. Wir sagen also „Auf Wiedersehen, Antarktis“ und viele von uns meinen dies auch wortwörtlich. Es war der 31. Dezember. Die Feierlichkeiten am Sylvester-Abend und Prosecco erleichtern uns den Abschied von der Antarktis. Und wir feierten und tanzten ausgelassen in das neue Jahr hinein. „Dance the Drake!“ Und bei der Überfahrt zurück über die Drake Passage wurde dieses Mal niemand mehr seekrank.
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Wart ihr selber schon mal mit einem Schiff in der Antarktis? Wie hat es euch gefallen und was waren eure Highlights? Habt ihr noch Fragen zu meinem Artikel oder noch weitere Tipps für eine Reise in die Antarktis? Wenn ja, dann schreibt mir doch einen Kommentar!
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Am besten segelt man in die Antarktis. Ich empfehle Euch die Bark Europa, ein Dreimaster aus Holland, der u.a. auch zu Deceiption Island fährt. Muss sagen, das war ein bewegender Moment dort zu stehen und im warmen, vulkanischen Kraterwasser zu baden