Deutschland. Mitten im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer, rund 100 Kilometer vom Hamburger Rathaus entfernt, liegt die kleine Insel Neuwerk. Gerade im Mai, wenn es langsam wärmer wird und das Leben in der Küstenlandschaft aufblüht, ist Neuwerk ein faszinierendes Ziel zum Birdwatching. Der Monat markiert die Brutzeit vieler Arten während zugleich noch einige Zugvögel auf dem Weg in ihre nordischen Brutgebiete auf der Insel einen Zwischenstopp einlegen.
Neuwerk: Ein Lebensraum zwischen Meer und Marsch
Neuwerk ist gerade einmal etwa 3 Quadratkilometer groß, aber ökologisch von unschätzbarem Wert. Die Insel ist von ausgedehnten Salzwiesen, Prielen und Wattflächen umgeben. Die Gezeiten geben den Rhythmus vor: Zwei Mal am Tag verschwindet das Watt unter Wasser, zwei Mal wird es freigelegt. Diese Dynamik schafft ideale Bedingungen für eine Vielzahl von Vogelarten, wie den Austernfischer, Säbelschnäbler oder Löffler. Die Insel selbst ist geprägt von extensiv genutztem Grünland, alten Warften, einem historischen Leuchtturm und einer offenen, weiten Landschaft, in welcher der Blick schweifen kann – bis der Blick an dem nächsten Vogeltrupp hängen bleibt. Oder an einem der vielen Pferde, die hier leben – immerhin mehr als es hier Einwohner hat.
Auf der Insel leben dauerhaft nur etwa 32 Menschen, die hauptsächlich vom Tourismus leben. Jährlich zieht Neuwerk rund 120.000 Besucher an, die die Ruhe, Spaziergänge im Seewind und die Weite von Watt und Meer schätzen.


Das Hamburgische Wattenmeer
Das Hamburgische Wattenmeer ist das kleinste der drei deutschen Wattenmeer-Nationalparks. Es umfasst die Insel Neuwerk, die unbewohnte Insel Scharhörn sowie die Insel Nigehörn, die allesamt unter strengen Schutzbestimmungen stehen. Der Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer, gegründet im Jahr 1990, dient dem Erhalt wertvoller Lebensräume, die von Gezeiten, Salzwiesen, Prielen und Wattflächen geprägt sind. Aufgrund seiner ökologischen Bedeutung ist das Wattenmeer UNESCO Biosphärenreservat und Weltnaturerbe. Dabei ist der Nationalpark in zwei Zonen unterteilt: die Zone 1 ist der Natur vorbehalten, während in der Zone 2 nachhaltiges Leben und Wirtschaften möglich ist.

Vogelvielfalt auf Neuwerk: Brutvögel & Durchzügler
TIPP: Bevor ihr auf Vogelpirsch geht, empfehle ich euch einen Besuch im Nationalpark-Haus Neuwerk. Hier lernt ihr nicht nur viele interessante Fakten über den Lebensraum, sondern bekommt Tipps fürs Birdwatching und könnt eine kleine Karte von Neuwerk mitnehmen.
Bisher wurden über 300 Vogelarten im Nationalpark nachgewiesenen. Es gibt immer etwas zu beobachten oder gar Neues zu entdecken und Neuwerk ist zu jeder Jahreszeit ein tolles Ziel zum Birdwatching. Doch während der “Gänsewochen” zur Hauptzugzeit rasten tausende Ringel- und Nonnengänse auf der Insel. Zu dieser Zeit finden auf Neuwerk im April und Mai zusätzliche Veranstaltungen zu Themen rund um Gänse, Vogelzug und Naturschutz statt. Der Mai ist ein sehr guter Monat für Vogelbeobachtungen auf Neuwerk. Denn neben den Zugvögeln sind bereits zahlreiche Brutvögel mit dem Bebrüten ihrer Eier oder sogar mit der Aufzucht ihrer Jungen beschäftigt, darunter Austernfischer, Säbelschnäbler, Rotschenkel, verschiedene Möwenarten, wie die Lachmöwe und die Silbermöwe, Löffler, Brand-, Küsten- und Flussseeschwalben, Eiderenten und Graugänse.




Gleichzeitig sind noch immer einige Zugvögel auf Neuwerk, die auf dem Weg in die arktischen Brutgebiete auf der Insel einen Zwischenstopp einlegen. Ringelgänse, Nonnengänse und Brandgänse rasten in zum Teil großen Trupps auf den Salzwiesen. Pfuhlschnepfen, Knutt, Großer Brachvogel, Alpenstrandläufer, Grünschenkel und andere Watvögel nutzen das Watt zur Nahrungssuche.

Ausflug zur Vogelinsel Scharhörn
Die Insel Scharhörn ist ein streng geschütztes Vogelschutzgebiet ist. Jeder, der die Insel besuchen möchte, muss sich vor Antritt der Wattwanderung bei dem Vogelwart der Insel anmelden. Die etwa zweistündige, sieben Kilometer lange Wanderung ist nur bei Ebbe möglich. Die Route ist mit Buschpricken markiert und weist die sicherste Verbindung durch das freie Watt. Auf Scharhörn selbst gibt es keine festen Wege, keine Häuser, keine Touristeninfrastruktur – nur eine Düneninsel, umgeben von Salzwiesen, auf der tausende Seevögel brüten. Mehr Informationen gibt es hier. Die Nationalpark-Verwaltung, der Verein Jordsand und Wattführer bieten geführte Wanderungen an. Nach Vereinbarung fahren auch Wattwagen nach Scharhörn. Informationen hierzu gibt es bei den Wattwagenbetreibern.

Nicht zu übersehen: der Leuchtturm Neuwerk
Der Leuchtturm Neuwerk ist nicht nur das bedeutendste Wahrzeichen der Insel Neuwerk, sondern gilt als das älteste erhaltene Bauwerk Hamburgs sowie als das älteste Profanbauwerk an der deutschen Küste. Er wurde zwischen 1300 und 1310 als Wehrturm errichtet, um die Elbmündung vor Piraten und Plünderern zu schützen und den für Hamburg wichtigen Handel über die Wasserstraße abzusichern. Im Laufe der Jahrhunderte diente der Turm nicht nur als Wehrturm, sondern auch als Zufluchtsort bei Sturmfluten und als Orientierungspunkt für die Schifffahrt.

Am 20. Dezember 1814 wurde der Turm offiziell zum Leuchtturm umgewandelt. Anfangs wurde das Leuchtfeuer von einer 5-dochtigen Petroleumlampe erzeugt. Im Jahr 1942 erfolgte der Wechsel auf elektrischen Strom, wobei das Licht mithilfe von 21 kreisförmig angeordneten Parabolspiegeln gebündelt wurde. Seit Februar 2014 ist das Leuchtfeuer als offizielles Seezeichen außer Betrieb, wird jedoch weiterhin von der Hamburg Port Authority als sogenanntes „privates Feuer“ betrieben.
Heute steht der Leuchtturm Neuwerk unter Denkmalschutz und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Besucher können die 138 Treppenstufen zur Aussichtsplattform erklimmen und einen beeindruckenden Blick über die Insel und das Wattenmeer genießen. Man kann sogar in dem historischen Leuchtturm übernachten.

Als Gast in der Natur – Besuchsregeln
Wir sind in der Natur nur zu Gast. Es gilt: Hinterlasst keine Spuren, außer eure Fußabdrücke. Stört nicht und zerstört nichts. Ganz einfach, oder? Wenn ihr mehr wissen wollt, dann schaut mal meinen Artikel “Leave No Trace!” an. Für euren Besuch im Nationalpark Wattenmeer gilt:
- Bleibt auf den gekennzeichneten Wegen.
- Im Vorland (der Bereich außerhalb der Deiche) brüten Vögel auf den Wiesen. Geht nicht querfeldein, passt auf Nester auf und bleibt auf den Wegen.
- Hunde sind außendeichs anzuleinen.
- Haltet Abstand zu den Tieren.
- In Zone 1 des Nationalparks sind keine Drohnen, Drachen oder andere fliegende Objekte erlaubt.
- Ihr seht ein Tier in Not? Meldet es dem Verein Jordsand oder der Nationalpark Station.

Anreise: zu Fuss, per Wattwagen, mit dem Boot oder hoch zu Ross
Die Insel ist tideabhängig zu erreichen – entweder per Wattwanderung mit einem erfahrenen Führer oder auf eigene Faust (ca. 2,5–3 Std.) oder mit dem Pferdewagen (dem “Wattenwagen”). Während der Flut fährt das Schiff MS Flipper von Cuxhaven aus nach Neuwerk. Infos zu Abfahrten findet ihr auf der Seite der Reederei Cassen Eils.
Ich bin beide Strecken mit dem Pferdewagen von Dem Alten Fischerhaus gefahren und habe die 1,5 Stunden Fahrt sehr genossen. Da man sich auf der Kutsche nicht viel bewegt, hab ich mich über meine warme Jacke, Halstuch und Mütze sehr gefreut.


Wattwandern von Sahlenburg nach Neuwerk
Eine Wattwanderung von Sahlenburg (Cuxhaven) zur Insel Neuwerk ist ein einzigartiges Naturerlebnis, das jedoch sorgfältige Vorbereitung und Beachtung von Sicherheitsregeln erfordert.
Die Strecke beträgt etwa 11 Kilometer und dauert bei normalem Gehtempo rund 2,5 bis 3 Stunden. Die genaue Dauer hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die persönliche Kondition, das Wetter und die Beschaffenheit des Meeresbodens. Denn manchmal muss man auch mal längere Strecken durch Wasser waten.

Sicherheit geht vor: Regeln für eine sichere Wattwanderung
Macht euch schlau über die Gezeiten, das Wetter und die geplante Route, bevor ihr ins Watt geht! Andernfalls droht Lebensgefahr! In Sahlenburg gibt es die Rettungsstation, wo ihr die notwendigen Informationen erhaltet.
- Geführte Touren bevorzugen: Aufgrund der Gefahren durch Priele, Nebel und schnell auflaufendes Wasser sollten Wattwanderungen mit ortskundigen Führern unternommen werden. Für aktuelle Informationen und Buchungen von geführten Wattwanderungen könnt ihr euch an lokale Anbieter wenden, beispielsweise an Wattwandern Neuwerk.
- Wetterbedingungen beachten: Bei Nebel, Gewitter oder Sturm ist das Betreten des Watts lebensgefährlich.
- Gezeitenzeiten kennen: Startet die Wanderung etwa zwei Stunden vor dem niedrigsten Wasserstand, um nicht von der Flut überrascht zu werden. Geht nicht los, wenn ihr zu spät dran seid!
- Wattwandern und Reiten dürft ihr in der Zone 1 des Nationalparks nur entlang der ausgeprickten Wege.
- Notfallvorsorge: Informiert euch über Rettungsbaken und Notrufnummern. Tragt ein vollständig geladenes Mobiltelefon bei euch.
- Erste-Hilfe-Pack: Mitnehmen! Wer barfuß läuft, schneidet sich schnell an den Muscheln.

Die richtige Ausrüstung und Kleidung
- Schuhwerk: Feste, geschlossene Schuhe mit stabiler Sohle sind optimal, um Schnittverletzungen durch Muscheln zu vermeiden. Geeignet sind beispielsweise Turnschuhe mit Socken oder spezielle Watt- bzw. Neoprenschuhe. Gummistiefel (werden voll laufen, da Wasser oft tief), Sandalen oder barfuß zu gehen, ist nicht empfehlenswert.
- Bekleidung: Tragt wetterfeste, atmungsaktive Kleidung. Eine wind- und wasserdichte Jacke sowie ein warmer Pullover sind auch im Sommer nötig. Schnelltrocknende Shorts oder leichte Hosen / Leggins sind gut geeignet. Hosen müssen bis über die Knie hochgeschoben werden können.
- Sonnenschutz: Das Watt reflektiert Sonnenstrahlen stark. Daher sind Sonnencreme mit hohem Lichtschutzfaktor, eine Kopfbedeckung und eine Sonnenbrille wichtig.
- Mitnehmen: Packt ein Handtuch, Getränke und Snacks ein.
TIPP:
Seid ihr auf der Suche nach einem Fernglas? Ich bin mit dem Zeiss Terra ED 8×42 sehr zufrieden. Es ist handlich und sogar wasserdicht. Also perfekt für das Birdwatching auf der Insel Neuwerk, wenn das Wetter mal ein bischen rauher ist.
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Reiten auf Neuwerk und im Wattenmeer
Reiten auf Neuwerk und im umliegenden Wattenmeer ist fester Bestandteil des Insellebens. Besonders beliebt sind geführte Ausritte über die weitläufigen Salzwiesen oder durch das Watt – bei Ebbe kann man sogar zu Pferd den Weg zum Festland oder zur Insel Scharhörn wagen.
Die besonderen klimatischen Bedingungen, die salzhaltige Luft und das mineralstoffreiche Watt machen Neuwerk nicht nur für Menschen, sondern auch für Pferde zu einem wohltuenden Rückzugsort. Tatsächlich gilt die Insel unter Kennern als eine Art „Kurort für Pferde“: Viele Reiter bringen ihre Tiere im Sommer zur Erholung auf die Insel. Die artgerechte Haltung auf großzügigen Koppeln, die frische Seeluft und die Bewegung auf weichem Wattboden fördern die Gesundheit, insbesondere bei Atemwegserkrankungen oder Gelenkproblemen. Neuwerk bietet damit eine seltene Kombination aus Naturerlebnis, Reitvergnügen und tiermedizinischer Erholung.

Übernachtung und Einkehr auf Neuwerk
Trotz ihrer geringen Größe bietet Neuwerk mehrere Übernachtungsmöglichkeiten wie zum Beispiel das “Alte Fischerhaus”, Haus Seeblick, das Gasthaus „Nige Hus“ oder das “Hus achtern Diek”. Wer es rustikaler mag, kann sich auch im Heuhotel einbuchen oder sein Zelt bei den Hotels auf der Wiese aufstellen. Die Hotels servieren Hausmannskost und regionale Speisen. Vor dem Leutturm gibt es einen kleinen Inselshop und eine Gaststätte.
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